Hand auf Herz: jeder hat Talente. Eine starke Neigung oder ein besonderes Interesse für die ein oder andere Fachrichtung und Strömung in der Schule ist einfach nur menschlich und muss gefördert werden. Soziales und gesellschaftliches Engagement, Soft Skills - also persönlicher Charakter und Verhaltensweisen, die nicht mit harten, nachweisbaren Fähigkeiten wie einer Abiturnote oder anderen Zertifikaten zu belegen und durch andere zu beurteilen sind - sind nicht zu vernachlässigende Kompetenzen. Kompetenzen, die wie ich finde gerade bei der Entscheidung für ein Studium der Humanmedizin nicht außen vor gelassen werden dürfen. Und die man mit einem Numerus clausus von 1,0 im Abitur auch nicht nachweisen kann.
Dazu kommt: Was auf dem Abschlusszeugnis steht, ist nicht mal nur von der eigenen Leistung abhängig, sondern es kommt darauf an wo man wohnt. Eine 1,0 im Abitur ist meiner Meinung nach generell eher utopisch und auch nicht Sinn und Zweck des Lernens für das Leben, auf das die Schule unsere Kinder nun einmal auch vorbereitet. Extremer Druck, in allen Fächern eine glatte Eins zu haben, schon in ganz jungen Jahren, um dann eventuell Medizin, Pharmazie oder Psychologie studieren zu können. Zumal das Abitur in Sachsen-Anhalt neben dem im Bayern und Baden-Württemberg als eines der schwersten gilt.
Eine Reform zur bundesweiten Vergleichbarkeit der Abiturnoten und eine Reform der komplizierten und ebenfalls nicht einheitlichen Zulassungsverfahren für Studiengänge sind längst fällig. Nicht zuletzt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Dezember 2017 zwingt zum Um- und Überdenken. Es hält die bundes- und landesgesetzlichen Vorschriften über die Studienplatzvergabe für das Fach Humanmedizin zum Teil mit dem Grundgesetz unvereinbar.
Das längst nötige Öl ins Getriebe dafür wurde aber davor hineingegossen. Nur sind die Krusten ziemlich verhärtet und angerostet, so dass es offensichtlich eines ordentlichen Rucks bedarf – wie durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Vor fast genau einem Jahr, am 31. März 2017, haben der Bund und die Länder den sogenannten "Masterplan Medizinstudium 2020" beschlossen. Ein Konzeptpapier, das verschiedene Maßnahmen vorsieht, um unter anderem die medizinische Versorgung in ländlichen Regionen wie unserer Heimat zu sichern. Die Bundesministerien für Gesundheit und Bildung werden sich ab Juli 2018 mit den Vorschlägen einer Kommission beschäftigten, was wie wo und wann umgesetzt werden soll. In der Volksstimme wird heute der Numerus Clausus thematisiert und dass dieser 50 Jahre nach Einführung bis Ende 2019 überarbeitet werden muss.
Landarztquote an den heimischen Unis
Eine Offensive, nämlich den Vorstoß der Ärztekammer "einen Teil der Studienplätze bevorzugt an Landeskinder zu vergeben", unterstütze ich von Grund auf. Und nicht erst seit heute, sondern seit Erarbeitung des "Leitfadens zur Ärzteversorgung in der Hansestadt Osterburg (Altmark)", der nach vorangehenden monatelangen Beratungen bereits ab Mitte 2016 dann im Mai 2017 vom Stadtrat beschlossen wurde.
Ich bin tief in die Materie vorgedrungen und setze mich auch über Gremien wie den Städte- und Gemeindebund und auch auf Landkreisebene dafür ein, Konkretes auf den Weg zu bringen, um die medizinische Versorgung auf dem Land zu sichern. Ja Osterburg ist mit seinen Maßnahmen wie dem Medizinstipendium für Absolventen des hiesigen Markgraf-Albrecht-Gymnasiums, dem Bürgerbus, Anstrengungen zur erfolgreichen Praxisübernahme bei Eintritt von Medizinern in den Ruhestand, Unterstützung bei der Sanierung einer Praxis, bei der Suche nach geeignetem Wohnraum oder Grundstücken, kostenlose Unterkunft im Praxisjahr des angehenden Mediziners etc. eine der wenigen Kommunen, die schon früh in dem Prozess von sich Reden macht.
Wichtig dabei: Nicht nur reden, sondern machen.
Wir Osterburger sind kein Volk der Schwätzer, wir sind Macher! Das ist unsere große Stärke. Regionalität und Heimatgefühl von Anfang bis Ende. Darum unterstütze ich die angedachte Landarztquote als Maßnahme, mehr in Sachsen-Anhalt ausgebildete Ärzte auch im Land zu halten. Bitte nicht falsch verstehen: Niemandem soll verboten werden, nach Sachsen-Anhalt zu kommen, um hier die Vorzüge des Lebens und Studierens zu genießen. Wir dürfen uns aber nicht selbst im Weg stehen und nicht blauäugig sein. "Heimat ist, wo du geboren bist", heißt es und darin steckt eine Art Magnet, der über kurz oder lang, manchmal auch nur sporadisch, dorthin zurückzieht wo man herkommt. Darum müssen wir es Sachsen-Anhaltern ermöglichen, über beispielsweise eine entsprechende Quote an der Universität, gar nicht erst das Land für Ausbildungszwecke verlassen zu müssen und damit die Anbindung an die Heimat ungewollt zu verlieren. Warum nicht den eigenen Nachwuchs zu Ärzten ausbilden und hier halten, um die die medizinische Versorgung von morgen zu sichern? Warum erst wegschicken und dann nur unter enormer Anstrengung versuchen, die nach dem Studium meist schon woanders halbwegs verwurzelten Einheimischen wieder zurückzuholen?
„Davon abkommen, dass allein die Abiturnote zählt“
So äußert sich Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD) heute im genannten Volksstimmeartikel. Mit ihm habe ich mich vor kurzem getroffen, um unter anderem über Initiativen zur Entwicklung der Einheitsgemeinde Osterburg, die Sanierung und Aufwertung der Schwimmhalle (durch Förderung mit Landesmitteln), die aktuelle Situation und derzeitigen Programme der Interneterschließung sowie den Planungsstand eines neuen Gewerbegebietes an der zukünftigen A14 zu sprechen.